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Waldviertler Schuhselbstbaukurs:
Wenn mein Liebster Schuhe macht…
Heute gibts eine Premiere! Denn heute darf mein Liebster hier am Blog zu Wort kommen. Wer mir auf Instagram oder Twitter folgt, weiß vielleicht, dass wir vor ein paar Wochen gemeinsam im Waldviertel waren. Endlich war es Zeit zum Waldviertler Schuhe-Selbermachen in der GEA-Akademie in Schrems.
Soviel sei bereits jetzt verraten: Es waren drei sehr arbeitssame Tage für meinen Liebsten, in denen ich ihn stückchenweise mit meiner Kamera begleitet habe. Die meiste Zeit über ließ ich aber die fleißige Truppe ungestört werkeln und machte mich auf, das Waldviertel zu erkunden. Aber genug der vielen Worte, nun darf mein Liebster erzählen.
Schuhwerkstatt im Waldviertel – ein Erfahrungsbericht.
Freitag Nachmittag ist es endlich soweit. Wir sind auf dem Weg nach Schrems in die GEA-Akademie, um an diesem Wochenende eigene Schuhe selbst zu machen. Nach 3-stündiger Anfahrt ins entlegene Waldviertel biegen wir auf ein altes, etwas verlassen wirkendes Industriegelände ein. Man hat erstmals ein Gefühl, was hier wohl ohne Heini Staudingers Waldviertler-Werkstatt wäre.
Freundlich werden wir empfangen und uns das funktionelle, aber sehr hübsche Zimmer (komplett mit GEA-Möbeln bestückt) gezeigt. Dann gibts noch rasch kaltes Abendbuffet mit Spezialitäten aus der Region, denn in einer Stunde gehts bereits los mit dem Kurs.
Gleich zu Beginn werden unsere bestellten Schuhgrößen nochmal zur Sicherheit kontrolliert und Meister Toni Schuster (sic!) führt noch kleine Anpassungen an unseren Leisten (das ist ein „Plastikfuß“, über den der Schuh in weiterer Folge gespannt wird) durch.
Wir sitzen mitten in der Schuhproduktionshalle auf (natürlich) GEA-Hockern um zwei relativ kleine Tische herum, unser Werkzeug in einer Schachtel und lauschen – bei einem Glaserl Sekt – gespannt der Erklärung, wie die einzelnen Zangen heißen und benutzt werden.
Wir dürfen gleich mal zur Übung unseren Leisten mit Nägeln bestücken, um ein Gefühl für die einzelnen Zangen (mit denen genagelt wird) zu bekommen.
Nebenbei gibts etwas Materialkunde, und man wundert sich, wieso Schuhe nicht ein Vielfaches des Ladenpreises kosten.
Dann gehts an unsere eigenen Schuhe, die exakt nach Bestellung bereits als fertiggenähtes „Oberteil“ und drei separate Sohlen vor uns liegen. Der erste Eindruck war fast etwas enttäuschend: Da bleibt ja kaum mehr Arbeit zum Selbermachen über. Allerdings wurden wir schon vor dem Kurs darauf hingewiesen, dass das Wochenende sehr arbeitsintensiv ausfallen wird – und das war es dann auch.
Das Leder wird vorne noch für die Schuhkappe mit Leim eingestrichen, der Leisten von den Nägeln befreit, die Brandsohle (das ist die, auf der wir im Schuh stehen plus die „Polsterung“ darunter) wird auf den Leisten getackert und mit Zahlen beschriftet.
Der erste Abend klingt in gemütlicher Runde noch bei einem Glas Schremser Hanfbier aus.
Am zweiten Tag gehts nach dem reichhaltigen Frühstücksbuffet an die Arbeit. Heute wird das Oberleder mit einer Zange unter ziemlichem Kraftaufwand über den Leisten mit der Brandsohle gezogen und an der Unterseite festgenagelt. Ein etwas mulmiger Moment, macht man doch Löcher in das wunderhübsche Leder. Jetzt wird auch klar, warum wir mit der Zange nageln – man müsste sonst permanent Werkzeug wechseln!
Erstmals merkt man auch, dass der sehr klein wirkende Arbeitsplatz vollkommen reicht, wird doch der Schuh großteils zwischen den eigenen Beinen fixiert.
Nachdem der linke Schuh bereits Formen angenommen hat, ist nun der Rechte dran. Ja, man soll nicht vergessen: Schuhe machen bedeutet immer doppelte Arbeit!
Nachdem beide Leisten nun mit dem Oberleder bespannt waren, kommen nochmals (fast) alle Nägel heraus. Das Spiel mit Leder über den Leisten ziehen wiederholt sich nochmal mit viel mehr Nägeln, zwischendurch mal leimen und nun wird auch das Leder an der Schuhkappe schrittweise mit dem Hammer in Form gebracht und weich geklopft, bis letztendlich eine schöne, gleichmäßig runde Schuhspitze entstanden ist.
Gefühlte Stunden später, kräftig gestärkt vom Mittagessen und dem einen oder anderen blauen Finger mehr stehen sie nun vor uns: wunderschöne, gleichmäßig ohne Falten gespannte Schuhe mit Spikes an der Sohle. :-)
Aber was wird jetzt eigentlich genäht? Die Überraschung des Tages: ALLE Nägel kommen jetzt raus und das vorher mühsam über den Leisten nach innen gespannte Leder wird nun nach außen „geklappt“ und in Teamarbeit exakt auf die „Zwischensohle“ geleimt.
Mittlerweile ist Abendessenszeit und in einer Abendsitzung starten wir noch das Vernähen des Oberleders mit der Zwischensohle. Dazu wird der Schuh mit dem Knieriemen am Oberschenkel fixiert, mit einer Ahle jedes Loch vorgestochen und dann gegengleich der Zwirn mittels zwei Borsten von oben und unten vernäht. Das im Abstand von ca. 7 mm und bevorzugt gleichmäßig.
Wir nähen bis uns die Kräfte in den Fingern verlassen (nach ca. einem halben Schuh) und stoßen mit dem einem oder anderen Schremser doch etwas erschöpft auf ein gelungenes Tagwerk und den Sieg von „Conchita Wurst“ beim Songcontest an.
Letzter Tag beim Schuhmacherworkshop. Der Tag beginnt wie er aufgehört hat. Ostinativ Loch mit Ahle stechen, Zwirn gegengleich durchfädeln und straff ziehen. Fast schon meditativ. Zwischendurch immer wieder schmerzende Finger, kein Ende in Sicht. Aber ein Schuh, auf den man mit jedem Stich etwas stolzer wird.
Mittagessen gibts nachdem beide Schuhe fertig genäht und mit der untersten Sohle verleimt sind. Das haben wir uns verdient.
Der Nachmittag dient nur mehr dem Feinschliff, bei dem wir tatkräftig von Toni unterstützt werden. Zuschnitt der Sohle, kleine Nachklebearbeiten, Leder weichklopfen, putzen, imprägnieren, Schnürsenkel einfädeln und Leisten aus dem Schuh nehmen.
Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, auf den wir alle so gespannt hingearbeitet haben. Wir schlüpfen erstmals in unsere selbst gemachten Schuhe – für mich ein ehrwürdiger Moment! Wir alle sind stolz auf das, was wir gemeinsam geschaffen haben!
Danke, Toni, für Deine Geduld, Deinen Witz und Dein nie endendes Vertrauen in unsere bunte Truppe!
Randnotizen
Heini Staudinger hat es mit seiner GEA-Werkstatt geschafft, in einer verkehrstechnisch schlecht erschlossenen, wirtschaftlich eher trostlosen Gegend ein wirklich nachhaltiges und vielfältiges Projekt zu starten und Arbeitgeber für mittlerweile 170 Menschen zu sein. Man merkt an vielen Kleinigkeiten den Wert des Betriebes. Am Samstag war der Verkaufsraum des angeschlossenen GEA-Shops voll mit Kunden, die nicht nur zum Einkaufen, sondern auch zu Führungen durch die Werkstatt kommen und diesen als Start für einen Ausflug in die nähere Umgebung nutzen.
Die MitarbeiterInnen fühlen sich als Teil des Unternehmens und versprühen den Charme der Freude an ihrer Arbeit. In der Küche direkt neben dem Buffet bereiten junge Menschen (offensichtlich Lehrlinge) mit viel Verantwortung und Freude die Speisen zu. Und der Chef ist das ganze Wochenende im Betrieb präsent, isst mit dem Personal gemeinsam und hat auch ein freundliches Lächeln über, wenn sich am Kursbeginn die halben Teilnehmer verlaufen und irrtümlich in sein Büro einmarschieren und mitten in eine Besprechung platzen.
Mit den parallel stattfindenden Workshops war die GEA-Akademie das ganze Wochenende über voll belegt und brachte mehr als einmalige Wertschöpfung in die Region. Denn die Gegend bietet auch abseits von Waldviertler und Schremser Brauerei noch viele interessante Sehenswürdigkeiten, die es beim nächsten Besuch in Schrems mit meinen neuen selbstgemachten Waldviertlern zu entdecken gibt.